--Kompendium Schwerpunktschulen, MBWJK Mainz 2010--
Erwerb der Berufsreife (SchA)
Welche Möglichkeiten bestehen für Integrationsschülerinnen und -schüler (Förderschwerpunkt Lernen), die Berufsreife zu erreichen – bezogen auf den Besuch allgemein bildender Schulen?
Verfahrensschritte: Es gelten die Regelungen der Sonderschulordnung für das freiwillige 10. Schuljahr zum Erwerb der Berufsreife analog (§§ 40, 41, 42 SoSchO in Verbindung mit § 47 Abs. 2 ÜSchO).
In das freiwillige 10. Schuljahr werden Schülerinnen und Schüler aufgenommen, die von der Klassenkonferenz der Klassenstufe 9 eine entsprechende Empfehlung erhalten haben (§ 42 SoSchO). Voraussetzung sind gute Leistungen in den Fächern Deutsch und Mathematik und die Erwartung, dass aufgrund des Lernverhaltens und des Leistungsstands die Berufsreife erreicht werden kann (Soll-Bestimmung). Der Besuch des freiwilligen 10. Schuljahres erfordert die Zustimmung bzw. die Antragstellung der Eltern. Die Entscheidung über die Aufnahme der Schüler/-innen trifft nach Anhörung der Eltern die Schulleitung der Schule, an der das freiwillige 10. Schuljahr eingerichtet ist (bzw. der Schwerpunktschule).
Die Berufsreife kann in Rheinland-Pfalz grundsätzlich an folgenden Schularten der Sekundarstufe I erworben werden: Integrierte Gesamtschule, Realschule plus, Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen (SFL). Entsprechend kann dieser Abschluss auch an Schwerpunktschulen in diesen weiterführenden Schularten erworben werden. Der Abschluss wird allerdings nicht dadurch erworben, dass im Rahmen der Schulzeitverlängerung ein 10. Schulbesuchsjahr absolviert wird; d. h. die Anforderungen des Lehrplans müssen erfüllt werden. Ziel der sonderpädagogischen Förderung ist, dass die Schülerinnen und Schüler mit einem Schulabschluss (und nicht nur mit einem Abgangszeugnis) die Schule verlassen und die ihnen möglichen Bildungsabschlüsse erreichen (§ 59 Abs. 3 SchulG). Hier hat die Schule eine besondere pädagogische Verantwortung wahrzunehmen. Insofern sind die Möglichkeiten der Schulzeitverlängerung auszuschöpfen, damit der Abschluss tatsächlich erreicht werden kann (auch wenn bereits 9 Schulbesuchsjahre absolviert wurden). Die Schulzeitverlängerung darf nicht versagt werden.
Wenn inklusiv unterrichtete Schüler/-innen die Qualifikation der Berufsreife anstreben, ist dazu kein Wechsel an eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen (SFL) erforderlich. Dies ist aus pädagogischen Gründen auch nicht sinnvoll. Die Vorbereitung in einer Vorlaufklasse ist (weder für Schülerinnen und Schüler an einer Förderschule noch an einer Schwerpunktschule) nicht zwingend erforderlich. Die Vorbereitung erfolgt an der Schwerpunktschule der Sekundarstufe I auf Basis der individuellen Förderpläne.
Die Qualifikation der Berufsreife kann an einer Schwerpunktschule der Sekundarstufe I im Rahmen des integrativen/inklusiven Unterrichts erworben werden. Die Voraussetzungen gemäß Sonderschulordnung gelten analog. Der individuelle Unterricht wird entsprechend fortgesetzt mit dem Ziel, die erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen zu erwerben und die Lerninhalte des freiwilligen 10. Schuljahres zu bewältigen. Die Schwerpunktschule der Sekundarstufe I entscheidet über die Organisationsform an ihrer Schule; die betreffenden Schülerinnen und Schüler können einer Klasse 9 zugeordnet werden. In der Praxis hat es sich bewährt, eine organisatorische Anbindung an eine 9. Klasse vorzunehmen und/oder die Förderung zusammen mit Schülerinnen und Schüler stattfinden zu lassen, die im Rahmen der Schulzeitverlängerung den Abschluss der Berufsreife anstreben.
Für den Erwerb der Berufsreife an der Schwerpunktschule spricht:
- Weiterführung der individuellen Förderung
- kein Wechsel in eine „Sondersituation“
- kein Wechsel der Bezugsgruppe (bezogen auf die Schule)
- Schülerinnen und Schüler erhalten ein Zeugnis der besuchten Schule (allgemeinen Schule); das Abschlusszeugnis der Schwerpunktschule erhält keinen Hinweis auf den Bildungsgang Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen
- die Qualifikation der Berufsreife kann analog der Regelungen an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen (SFL) ohne Englisch erteilt werden
Die Schulen sind jedoch aufgefordert, den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse im Fach Englisch zu vermitteln (langfristige Förderplanung) und ggf. Möglichkeiten der individuellen Leistungsbeurteilung zu nutzen.
Anmerkung: An berufsbildenden Schulen kann im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres BVJ der Abschluss der Berufsreife erworben werden, wenn die Schülerinnen und Schüler bereits den Abschluss des Bildungsgangs der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen (SFL) erreicht haben. Darüber hinaus kann nach der Berufsschulordnung auch der Abschluss der besonderen Form der Berufsreife (Abschluss der SFL) auf diesem Weg erreicht werden. Dazu kann am Ende des BVJ geprüft werden, ob die erbrachten Leistungen dem Abschlusszeugnis der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen gleich gestellt werden können.