--Kompendium Schwerpunktschulen, MBWJK Mainz 2010--
UE 3
Welche Strukturen bestehen zur Beratung der Schwerpunktschulen bezüglich der Förderung von Kindern und Jugendlichen, die als verhaltensauffällig wahrgenommen werden? (UE3)
Förderung von verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern
Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass die Schule an Beratung und die Lehrkräfte an der Steigerung ihrer Fachkompetenz interessiert sind. Die gelegentlich anzutreffende Auffassung, an Schwerpunktschulen seien „Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung nur im Ausnahmefall tragbar“ ist nicht sachgerecht und entspricht auch nicht dem Konzept. Das Konzept der Schwerpunktschulen sieht ausdrücklich keine Einschränkung vor, die sich allein aus Art und Umfang des sonderpädagogischen Förderschwerpunkts herleitet. Auf der anderen Seite sollen Schwerpunktschulen kein „Ersatz“ für Schulen mit dem Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung (SFE) sein. Insofern ist hier in besonderem Maß die Schulaufsicht bei der Entscheidung gefordert.
Jugendhilfe und Schule stehen in einer gemeinsamen Verantwortung im Hinblick auf die Zukunftschancen der jungen Menschen. Beide Institutionen sind weitestgehend für dieselben Kinder und Jugendlichen zuständig, allerdings mit unterschiedlichem gesellschaftlichem Auftrag sowie mit verschiedenen Schwerpunkten und Traditionen (KJHG, Göttingen 2001). Kooperation von Jugendhilfe und Schule ist eine zukunftsweisende Aufgabe. Vor wenigen Jahren ist diese Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule gesetzlich in Form von Soll-Vorschriften vorgegeben worden: Seit dem 01.01.1991 für den Bereich der Jugendhilfe in § 81 SGB VIII als Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit Schulen und mit Schulverwaltung (§ 19 SchulG).
Für den Bereich der Schulen in Rheinland-Pfalz existieren seit langem entsprechende Empfehlungen über die Zusammenarbeit, die nun im Schulgesetz vom 30.04.2004 in § 19 gestärkt werden. Die Verpflichtung der Schulen zur Zusammenarbeit mit Trägern und Einrichtungen der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe ist ausdrücklich festgeschrieben, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass deren Tätigkeit für die Lebenssituation junger Menschen wesentlich ist.
Richtungweisend sind die gemeinsamen Beschlüsse der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004 und der Kultusministerkonferenz vom 03./04.06.2004: Diese Beschlüsse thematisieren ausdrücklich die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen mit Lern- und/oder Verhaltensproblemen sowie sozialen Benachteiligungen und werden zusammengefasst unter dem Titel: „Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe zur Stärkung und Weiterentwicklung des Gesamtzusammenhangs von Bildung, Erziehung und Betreuung“.
Die Zusammenarbeit ist bezogen auf den Schulbereich eine Aufgabe grundsätzlich aller Schularten, getragen von der Verpflichtung zu individueller Förderung angesichts der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler. Schulen sind daher ausdrücklich gefordert, die ihnen zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten auszuschöpfen, auch die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule (§ 19 SchulG).
Die Ergebnisse des Modellprojekts „Qualifizierte Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule im (Vor-)Feld von Erziehungshilfen“ zeigen, dass Kooperation nicht erst im konkreten Problemfall beginnen kann, sondern dass Kooperation zwischen den beiden Institutionen in der Region/Kommune strukturell so abgesichert und verankert werden muss, dass die Zusammenarbeit enger stattfindet und gleichzeitig verbindlicher gestaltet wird. Eine Kooperationsvereinbarung kann hier als Instrument hilfreich sein, um die gemeinsamen Handlungsfelder von Schule und Jugendhilfe zu definieren, die Gestaltung der Kontaktaufnahme zu analysieren bzw. zu regeln und gemeinsame Fallberatung zwischen Schule und Jugendhilfe zu institutionalisieren. Die schulpsychologischen Beratungsstellen beim Pädagogischen Landesinstitut (PL) stehen auch für die Beratung der Lehrkräfte zur Verfügung; sie haben allerdings in der Regel nicht den Auftrag der Einzelfallberatung. Hier können Lehrkräfte Beratung unter dem Gesichtspunkt erhalten, selbst kompetenter im Umgang mit schwierigen/verhaltensauffälligen Schüler/-innen zu werden.
Fort- und Weiterbildungsangebote beziehen sich u. a. auf das Instrument der kollegialen Fallberatung, auf Umgang mit Heterogenität (vgl. Studientagsangebote durch das IFB). Es hat sich darüber hinaus bewährt, mit dem Jugendamt vor Ort gemeinsam das Instrument der kollegialen Fallberatung zu nutzen.
Es empfiehlt sich, frühzeitig die ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion) einzuschalten, um ggf. Unterstützung von Förderlehrkräften zu erhalten, die sich in diesem Themenbereich fortgebildet haben und/oder die an einer SFE arbeiten. Das Förderkonzept der integrierten Fördermaßnahmen hat sich im Bereich der Schülerinnen und Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten/sozial-emotionalen Problemen wenig bewährt. Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass Stützmaßnahmen und Anleitungen für die Klassenlehrkraft hilfreicher sind, da die Schülerinnen und Schüler diese authentisch und konsequent erleben und sich besser orientieren können. Die Wahrnehmung, dass ein Lehrer/eine Lehrerin extra für sie kommt, ist nicht immer hilfreich, um das Verhalten zu ändern. Darüber hinaus ist in vielen Fällen das umgebende System, in dem die Verhaltensauffälligkeiten auftreten, mit in den Blick zu nehmen. Ein Wechsel des Systems ist nicht hilfreich.
Konkrete Schritte:
- Schule nimmt Kontakt mit Jugendamt auf, regt Hilfeplangespräch unter Mitwirkung der Schule an
- Einschalten des Schulpsychologischen Dienstes zur Beratung der Schule
- Hilfen für die Eltern: Erziehungsberatungsstellen
- kollegiale Fallberatung, ggf. Supervision (Schupsychologischer Dienst)
- Studientag zum Thema „Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten“
- Fortbildungsangebote des Pädagogischen Landesinstiuts (PL) zum Thema nachfragen